3. Die Entstehung der Arbeiterparteien
Im
Jahre 1836 war vom deutschen Utopisten Wilhelm Weitling
in Paris der illegale „Bund
der Gerechten“ gegründet worden, welcher von Karl Marx und Friedrich Engels 1847 in London zum „Bund der Kommunisten“
umbenannt wurde. Im Revolutionsjahr 1848 gaben Marx und Engels ihm mit dem Kommunistischen
Manifest die theoretische Grundlage.
In
der Revolution von 1848/49 gründete Stephan
Born die „Allgemeine
Deutsche Arbeiterverbrüderung“, ein Zusammenschluss von
Handwerkervereinen, Arbeiterbildungsvereinen
und neu gegründeten Gewerkschaften
mit 12000 bis 15 000 Mitgliedern (Frühjahr 1849). Ihr Programm forderte einen
parlamentarisch-demokratischen Staat auf
der Basis des allgemeinen Wahlrechts und das Koalitionsrecht. Produktions- und Konsumgenossenschaften,
Gesundheitspflegevereine, Krankenunterstützungs-
und Sterbekassen sollten die soziale Lage der Arbeiter verbessern. 1854
wurde die Arbeiterverbrüderung
verboten.
Stephan Born
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Seit
1857 gab es bereits eine Reihe von zunächst bürgerlich geführten
Arbeitervereinen, die im „Verband
der deutschen Arbeitervereine“ von 1863 eine Art Dachverband
organisiert hatten, der bereits 1867 durch die neuen Leiter August
Bebel und Wilhelm Liebknecht
unter den Einfluss der „Internationale“ geriet, welche sich 1864 als „I.
Internationale Arbeiterassoziation („Internationale“) konstituiert hatte. Auf dem
Vereinstag in Nürnberg von 1868 waren deutlich internationalistische
Bestrebungen erkennbar, welche die Gründung der „Sozialdemokratischen
Arbeiterpartei“ (SDAP) in Eisenach 1869 stark beeinflussten.
Während
Karl Marx den Staat als
Druckmittel der herrschenden Klasse interpretierte, setzte Ferdinand Lassalle
auf staatliche Reformen zugunsten der Arbeiter und auf eine günstige
Entwicklung durch die Einführung des allgemeinen und
gleichen Wahlrechts. Seine Anhänger lösten sich aus der bürgerlichen
Bevormundung und gründeten 1863
in Leipzig den „Allgemeinen
Deutschen Arbeiterverein“ (ADAV) als erste sozialistische Partei,
die im Kampf gegen den „Hauptfeind“, das liberale Bürgertum, die Unterstützung
der preußischen Regierung erhoffte. Lassalles Organisation blieb bis zur
späteren Vereinigung mit der Partei August Bebels und Wilhelm Liebknechts die
größte politische Arbeiterorganisation.
Flagge des ADAV
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(Wilhelm
Mommsen (Hrsg.), Deutsche Parteiprogramme, München 1960, S. 294ff: Ferdinand
Lassalle: Aufruf zur Gründung einer Arbeiterpartei)
Die Sozialistische Arbeiterpartei Deutschlands (SAPD)
Nach
Lassalles Tod
1864 nahm der ADAV
Kontakte zur internationalistischen Richtung August Bebels auf. Um
staatlichen Einmischungsversuchen entgegen zu wirken, schlossen sich 1875 beide
Richtungen auf der Grundlage eines - von Karl Marx scharf kritisierten
- Kompromissprogramms in Gotha zur „Sozialistischen
Arbeiterpartei Deutschlands“ (SAPD) zusammen. Das
Gothaer Programm forderte die Umwandlung des kapitalistischen Obrigkeitsstaates in
eine demokratische und sozialistische Gesellschaft; dies sollte mit
gesetzlichen Mitteln, also nicht auf dem Weg der Gewalt erstrebt werden.
Deutschland war eines der wenigen Länder
Europas, in welchem es fortan eine gemeinsame sozialistische
Linke gab. Dennoch
sahen Obrigkeit und Bürgertum in den sozialistischen Vorstellungen der
Arbeiterbewegung eine Gefahr für Staat und Gesellschaft, der mit allen Mitteln
Einhalt zu gebieten war.
Die
Anfangszeit der SAPD
gestaltete sich als reichlich schwierig. In ihr gewann die marxistische
Richtung die Führung und brachte die Sozialdemokraten in doppelte Gegnerschaft
zum Bismarckstaat: Gegen das nationale Zusammenrücken und die Stärkung der
Nation betonte die deutsche
Arbeiterbewegung ihren Klassencharakter und die internationale Solidarität.
Den nationalen Rahmen sah die Partei als künstliche Barriere, welche die Klassengegensätze
prolongiere und das erwartete Absterben
des Staates hinauszuzögern versuche. Mit ihren Zielsetzungen geriet die
Arbeiterbewegung in schärfsten Gegensatz zu Bismarck, welcher die
traditionellen Gesellschaftsstrukturen zu bewahren versuchte. Aus Sorge vor
radikalem Umsturz gerieten Staatsführung, wirtschaftliche und gesellschaftliche
Eliten in Handlungszwang.
Text: Tobias Eder
Literatur und Internetressourcen:
www.SPD.de - Geschichte
www.dhm.de/lemo - Innenpolitik im Kaiserreich
Volker Berghahn, Das Kaiserreich 1871-1914. Industriegesellschaft, bürgerliche Kultur und autoritärer Staat. Gebhardt Handbuch der deutschen Geschichte, 10. Auflage, Band 16; Stuttgart 2003; S. 305-332;
Michael Stürmer, Das ruhelose Reich. Deutschland 1866-1918; Berlin 1994
K.D. Erdmann, Die Zeit der Weltkriege, Gebhardt Handbuch der deutschen Geschichte, 9. Auflage, Stuttgart 1973
Hagen Schulze, Weimar. Deutschland 1917-1933; Berlin 1982
Walter Tormin (Hrsg.), Die Weimarer Republik; Hannover 1973
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