Am 7. November 1918, als sich die russische Oktoberrevolution zum ersten Mal jährte, veranstalteten die SPD, Gewerkschaften und die USPD eine gemeinsame Friedenskundgebung auf der Münchner Theresienwiese. Um den eingeleiteten Übergang zur parlamentarischen Monarchie in Bayern nicht zu gefährden, forderte König Ludwig III. die Polizei zur Zurückhaltung auf, obwohl Hinweise auf einen Umsturzversuch durch die USPD vorlagen.
Um 15 Uhr begann die Kundgebung auf der Theresienwiese mit etwa 60.000 Teilnehmern. An verschiedenen Stellen des Platzes sprachen zwölf Redner, unter anderem Erhard Auer, der Vorsitzende der bayerischen SPD, Ludwig Gandorfer, ein radikaler Vertreter des Bayerischen Bauernbundes, sowie Kurt Eisner. Einige Redner wollten die Leute beruhigen und wiesen auf die kommenden Reformen hin, andere forderten ein sozialistisches Rätesystem. Eisner, der Vorsitzende der USPD, hatte sich mit seinen Anhängern bereits zu Beginn der Kundgebung im Norden der Theresienwiese aufgestellt, um anschließend schnell und möglichst ohne aufgehalten zu werden, zu den Kasernen zu kommen. Nach den Reden wurde eine Resolution angenommen, in der ein sofortiger Friedensschluss, der Rücktritt des deutschen Kaisers, der Achtstundentag und eine Arbeitslosenversicherung gefordert wurde.
Im
Anschluss an diese Kundgebung setzte sich der Hauptzug der Demonstration zum Friedensengel
in Marsch. Dort löste sich der Zug nach einer Rede von Franz Schmitt, einem Landtagsabgeordneten der SPD,
auf.
Die
meisten Betriebe, Geschäfte und Ämter hatten an diesem Tag geschlossen, um
ihren Angestellten die Möglichkeit zu geben, an der Kundgebung teilzunehmen.
Ohne
dass es zunächst weiter beachtet wurde, entfernten sich etwa 2000 Demonstranten
unter Führung von Kurt Eisner und Ludwig Gandorfer zuerst zur Kraftwagenkolonne
der Kraftfahr-Ersatzabteilung in der Kazmairstraße. Die Behörden vertrauten auf
die Münchner Garnisonstruppen und maßen der Aktion keine große Bedeutung bei.
Die Kraftfahrer schlossen sich dem Demonstrationszug an, der nacheinander zur
Ersatzkompanie des Münchner Landsturmbataillons, zur Marsfeldkaserne,
Türkenkaserne und zu den Kasernen auf dem Oberwiesenfeld und an der Dachauer Straße marschierte.
Auch dort schlossen sich jeweils viele Soldaten an. Kriegsmüdigkeit, die
Überzeugungskraft der Revolutionäre oder die Teilnahme befreundeter Kameraden
bildeten für die meist den unteren Mannschaftsgraden angehörenden Soldaten die
Motivation, sich von der revolutionären Aufbruchstimmung mitreißen zu lassen.
Gegen
19 Uhr erschienen die ersten Demonstranten vor der königlichen Residenz. Philipp von Hellingrath, der bayrische
Kriegsminister, musste eingestehen, dass in München keine Truppen mehr zur
Verfügung standen um die Monarchie zu verteidigen. Mit auswärtiger Hilfe konnte
nicht gerechnet werden, da Meldungen von Unruhen auch andernorts vorlagen.
Angesichts der für den König prekären Situation wurde Ludwig III. von Otto Ritter von Dandl die Flucht empfohlen.
Zusammen mit seiner schwerkranken Frau, drei Töchtern, dem Erbprinzen Albrecht
und einem kleinen Hofstaat verließ der König München in Zivilkleidung. Die
drei Mietautos mit den Flüchtenden hatten Schloss Wildenwart am Chiemsee zum Ziel.
Nachdem
die Revolutionäre Einrichtungen wie den Hauptbahnhof, Gebäude der Regierung
oder militärische Einrichtungen ohne Widerstand besetzt hatten, hielt Kurt
Eisner eine Versammlung im Franziskaner-Bierkeller ab und nahm danach im
Mathäserbräu an einer Massenveranstaltung teil. Dort wurde ein Arbeiter-, Soldaten- und Bauernrat
gebildet. Zum Vorsitzenden wurde Franz Schmitt (SPD) gewählt.
Eisner
verkündete in der ersten Stunde des 8. November
den Freien Volksstaat Bayern als Freistaat.
Die
Ereignisse in der Reichshauptstadt Berlin und im Reich:
Einen Tag später, am 9. November proklamierte in Berlin zuerst Philipp Scheidemann (SPD) eine (parlamentarisch-pluralistisch gedachte) „deutsche Republik“, und nur wenige Stunden nach ihm Karl Liebknecht vom Spartakusbund die „Freie Sozialistische Republik Deutschland“. Diese kurz nacheinander erfolgten Ausrufungen unterschiedlicher Republiksysteme für das deutsche Reich deuteten schon die neue innenpolitische Frontlinie zwischen den Anhängern der Rätedemokratie und denen des Parlamentarismus an.
Den meisten revolutionären Arbeitern und Soldaten war jedoch die Tragweite dieses Richtungskonfliktes zu diesem Zeitpunkt noch nicht wirklich bewusst. Ihnen ging es zunächst vor allem um das Ende des Krieges und der Militärdiktatur. Auch die Unterschiede zwischen SPD, USPD und Spartakusbund (der knapp 2 Monate später in der KPD aufging) erschienen vielen angesichts der neuen Situation und dem greifbar nahen Ende des Weltkriegs als überholt. Die meisten Aufständischen, ob in Berlin, München oder anderswo, erwarteten eine baldige neue Einigkeit der verschiedenen Flügel der im Prinzip noch oder wieder als Einheit begriffenen Sozialdemokratie. Dass im Hintergrund jedoch die Fäden zur endgültigen Spaltung der ursprünglichen Sozialdemokratie schon gezogen waren, ahnten bis zum 9. November nur wenige. Die Spitze der Reichs-SPD (namentlich Friedrich Ebert) schuf durch einen geheimen Pakt zwischen dem neuen Chef der Obersten Heeresleitung Wilhelm Groener und der SPD-Reichsregierung am 10. November 1918 die Voraussetzungen für die spätere militärisch-gewaltsame Niederschlagung einer sozialistisch motivierten Fortsetzung der Revolution. Ebert machte Groener für die Unterstützung seiner Regierung durch die Reichswehr weitreichende Zugeständnisse in Bezug auf den Erhalt der alten Strukturen in Militär und Verwaltung.
Zu diesem
Zeitpunkt hatte die Novemberrevolution in ganz Deutschland mit politischen
Aufständen, beispielsweise in Kiel (Matrosenaufstand),
Berlin, Bremen und Hamburg um sich gegriffen. Fast überall bildeten sich
Arbeiter- und Soldatenräte. Ein bedeutendes Zentrum der Rätebewegung war
München.
Der Untergang der Monarchie in Deutschland war spätestens seit dem 9. November nicht mehr aufzuhalten. Bis zum 23. November mussten alle regierenden Fürsten der deutschen Länder einschließlich Kaiser Wilhelm II. dem Bayerischen König folgen und abdanken.
Am 11.
November kam es in Compiègne/Frankreich zum Waffenstillstand zwischen den
Alliierten und dem Deutschen Reich. Für die Reichsregierung unterzeichnete der Zentrumspolitiker
Matthias Erzberger den Vertrag. Damit endete der
Erste
Weltkrieg.
Auf
Grund der Ereignisse in München kam es auch in anderen bayerischen Städten, zum
Beispiel in Kaiserslautern (damals war die Pfalz bayrisch), Ingolstadt
und Kempten, zur Bildung von Arbeiter- und
Soldatenräten, die vornehmlich mit Mitgliedern der SPD und USPD besetzt wurden.
Der
bayrische Arbeiter-, Soldaten- und Bauernrat wählte eine Revolutionsregierung
aus USPD und SPD mit Kurt Eisner (USPD) als Ministerpräsident und
Außenminister, Erhard Auer (SPD) als Innenminister, Johannes Hoffmann (SPD) als Kultusminister,
Edgar
Jaffé (USPD) als Finanzminister und Albert Roßhaupter (SPD) als Militärminister.
Ein provisorischer Nationalrat, der sich aus Vertretern des Arbeiter-, Soldaten- und Bauernrates, der Gewerkschaften, der Berufs- und Frauenverbände und den Fraktionen der SPD und des Bauernbundes im bayerischen Landtag zusammensetzte, trat an die Stelle des ehemaligen Landtags der Monarchie.
>
Am
12.
November, einen Tag nach der Unterzeichnung des Waffenstillstands zwischen
dem Deutschen Reich und den Alliierten der Entente, entband Ludwig III. die bayerischen Beamten vom Treueid auf seine
Person, was im Grunde seiner Abdankung gleich kam, auch wenn er sich zu einer
formellen Abdankungserklärung nicht bereit erklärte. Die Revolutionsregierung
erlaubte dem ehemaligen König, sich in Bayern aufzuhalten. Als „Unterstützung“
erhielt er 600.000 Mark.
Die
Stimmung der bayrischen Bevölkerung schwankte zwischen Hoffnung auf Demokratie
und Mitbestimmung, vor allem bei den Arbeitern; - und Abneigung gegen die
Revolution, insbesondere auf dem Land und im Bürgertum.
Die Mehrheit verhielt sich abwartend, und hatte weder eine euphorische noch
eine ablehnende Haltung.
Die katholische und die evangelische Kirche standen auf der Seite der Monarchie und sahen in der Linken eine größere Gefahr für Deutschland als in der Rechten. Die Kirchen spielten allerdings für das Schicksal der Räterepublik kaum eine Rolle.
Die
gesellschaftliche Struktur blieb trotz der Änderung der Staatsform erhalten.
Die Beamten, zum Beispiel Gustav Ritter von Kahr, der
Regierungspräsident von Oberbayern und spätere bayerische Diktator, behielten
ihre Posten und Ämter.
Da
sich die Revolutionsregierung nur als Übergangsregierung betrachtete, kam es zu
keinen tiefgreifenden Reformen. Ein weiterer Grund für die Zurückhaltung waren
die inhaltlichen Gegensätze zwischen der revolutionäreren USPD und der SPD, die
die Revolution eindämmen wollte.
Mitte November 1918 wurde der Anarchist Gustav Landauer von Kurt Eisner nach München gerufen. Er sollte als Redner an der „Umbildung der Seelen“ mitarbeiten.
Nachdem
Eisner nicht durchsetzen konnte, dass die Weimarer Verfassung der Zustimmung der Länder
bedurfte, sprach er sich im Regierungsprogramm vom 15. November für einen
gemeinsamen bayerisch-österreichischen Staat aus. Des Weiteren nahm er Kontakt
zum tschechischen Staatspräsidenten bezüglich der Gründung einer
Donauföderation auf. Die Föderation sollte vor allem von den Ländern gelenkt
werden; der Plan scheiterte am Eingreifen der Reichsregierung. Die
Verstaatlichung der Industrie wurde zurückgestellt, lediglich einige
Forderungen der Gewerkschaften wie den Achtstundentag
und eine bessere Unterstützung der Arbeitslosen setzte man um. Die monarchischen
Beamten blieben wie im übrigen Deutschland im Amt.
Die Strukturen des kaiserlichen und königlichen Verwaltungsapparats und der Justiz blieben in ihrem Wesen ebenso unangetastet wie die kapitalträchtigen und wirtschaftlich mächtigen Banken, Versicherungsgesellschaften und Industrieunternehmen.
Eisner
ernannte entsprechend den Reservatrechten Gesandte für Bern,
Berlin, Wien und Prag. Um bessere Friedensbedingungen für Bayern zu erreichen,
veröffentlichte er Berichte, die die Kriegsschuld Deutschlands belegen sollten
und löste damit in weiten Kreisen eine Welle der Empörung aus.
Unter
Kultusminister Johannes
Hoffmann wurde eine Schulreform zur Aufhebung der geistlichen Schulaufsicht
durchgeführt. Diese Reform ging mit in das vorläufige Staatsgrundgesetz ein und
behielt auch später Bestand.
Der
Heraldiker Otto Hupp wurde
beauftragt, ein neues Staatswappen zu gestalten.
Im Januar 1919 begann in ganz Deutschland mit Aufständen in Berlin (vgl. Spartakusaufstand) die zweite Phase der Revolution. Nachdem die Novemberrevolution bis dahin fast ohne Blutvergießen verlaufen war, eskalierte diese Phase vor allem durch das verstärkte Auftreten der von der SPD-Führung, namentlich von Reichswehrminister Gustav Noske rekrutierten republikfeindlichen, antirevolutionären Freikorps in einigen Regionen des deutschen Reichs zu bürgerkriegsähnlichen Situationen mit Tausenden von Todesopfern - vor allem unter den Arbeitern und revolutionären Soldaten.
In
der bayrischen Regierung kam es zunehmend zur einer Kontroverse zwischen den
Befürwortern des Rätesystems (USPD)
und den Befürwortern einer starken Stellung des Parlaments (SPD).
Die Vertreter des Parlamentarismus setzten sich durch, und der Einfluss der
Räte sank zunächst im ganzen Land.
Am 4. Januar wurde ein vorläufiges Staatsgrundgesetz beschlossen. Es basierte auf der parlamentarischen Demokratie und enthielt keine Elemente des Rätesystems.
Auf
Druck der SPD fanden am 12.
Januar 1919 Wahlen zu einem verfassunggebenden Landtag statt, die von der
KPD und ihren Anhängern sowie von Anarchisten boykottiert wurden. Bei diesen
Wahlen galt erstmals das Verhältniswahlrecht und das Wahlrecht
für Frauen.
Die Verlierer der Wahl waren mit dem Bayerischen Bauernbund (Stimmenanteil von 9 Prozent = 16 Mandate/Landtagssitze) und der USPD (2,5 Prozent = 3 Mandate) die Parteien der Revolution. - Gewinner waren die Bayerische Volkspartei, die Nachfolgepartei des Bayerischen Zentrums (35 Prozent = 66 Mandate) und die SPD (33 Prozent = 61 Mandate). Die Deutsche Demokratische Partei (DDP) erhielt 14 Prozent (= 25 Mandate), die Deutschnationale Volkspartei (DNVP) zusammen mit der pfälzischen Mittelpartei 6 Prozent (= 9 Mandate).
Gegen
diese neuen parlamentarischen Mehrheitsverhältnisse organisierten Gustav Landauer, Erich Mühsam und
andere Befürworter einer Rätedemokratie am 16. Februar eine erneute
Großdemonstration auf der Theresienwiese,
auf der die Ausrufung eines Rätesystems
gefordert wurde.
Eisner
wurde am 21. Februar auf dem Weg zur konstituierenden Sitzung des Landtags, wo
er den Rücktritt seines Kabinetts anbieten wollte, vom rechtsradikalen Anton Graf von Arco auf Valley
ermordet. Eisner hatte sich die politische Rechte nicht nur aufgrund seiner
politisch-ideologischen Grundhaltung, seiner Anerkennung der deutschen
Kriegsschuld und seines Versuchs, die Sozialistische Internationale
wiederzubeleben, zum Feind gemacht, sondern auch vor dem Hintergrund seiner
jüdischen Herkunft oder als „Preuße“, was die vom verbreiteten Antisemitismus
und nationalistischen Chauvinismus
der (nicht nur) bayrischen Rechten genährten Vorurteile besonders angeheizt
hatte.
Ein Mitglied des Revolutionären Arbeiterrats (RAR), der Metzger Alois Lindner, erschoss zwei Stunden nach dem Attentat auf Eisner in einem spontanen Akt der Rache von der Zuschauertribüne des Landtags aus zwei konservative Abgeordnete und verletzte Erhard Auer schwer. Als Reaktion vertagte sich der Landtag. Auer und der niedergeschossene Graf von Arco auf Valley wurden vom berühmten Arzt Ferdinand Sauerbruch behandelt.
Nach
einem Aufruf der USPD kam es zum Generalstreik. Die Macht übernahm nun der
„Zentralrat der Bayerischen Republik“ unter Ernst
Niekisch (SPD, später USPD). Über München wurde der Belagerungszustand
verhängt. Am 25. Februar lehnte der elfköpfige Bayerische Rätekongress
aus Mitgliedern von USPD, SPD
und KPD den Antrag von Erich
Mühsam, die Räterepublik auszurufen, zunächst noch ab. Die bürgerliche
Presse wurde zensiert, es kam zu einer Radikalisierung der bisher eher
unblutigen Revolution und zu einer zunehmenden Verschärfung der Auseinandersetzung
zwischen Vertretern des Rätesystems
einerseits und des Parlamentarismus andererseits.
Der
Rätekongress bildete am 1. März eine neue Regierung unter Martin
Segitz, die aber von der Mehrheit des Landtags nicht anerkannt wurde.
Am
4. März lehnte der Rätekongress
seinerseits noch eine Regierungsbildung durch den Landtag ab, wobei er
allerdings in seiner Mehrheit die grundsätzliche Legitimität des Landtags
anerkannte.
Am 17. März wählten die Landtagsabgeordneten gegen das Votum der radikalen Linken des Rätekongresses Johannes Hoffmann (SPD) zum neuen Ministerpräsidenten und bestätigten das vorläufige Staatsgrundgesetz.
Im neuen Kabinett, einer Koalitionsregierung zwischen SPD, USPD und Bayerischem Bauernbund, war Hoffmann zusätzlich Außenminister und Kultusminister, Martin Segitz (SPD) Innenminister, Ernst Schneppenhorst (SPD) Militärminister und Karl Neumaier (parteilos) Finanzminister. Der Regierung gehörten auch ein Mitglied des Bauernbundes und Mitglieder der USPD an. Es war eine Minderheitsregierung, die jedoch angesichts der unsicheren revolutionären Umstände von den meisten anderen bürgerlichen und konservativen Parteien des Landtags toleriert wurde. Es gelang dieser parlamentarischen Regierung aber nicht, die Spannungen zwischen Anhängern des Rätesystems und des Parlamentarismus abzubauen. Im Gegenteil wurde sie ihrerseits von der Basis der Rätebewegung zumindest in München nicht anerkannt und hatte dort im Grunde keinen Handlungsspielraum.
Am
22. März traf in München die Nachricht von der Ausrufung einer sozialistischen
Räterepublik in Ungarn
unter Béla
Kun ein. Dies gab der Rätebewegung in Bayern neuen Auftrieb. Viele träumten
von einer sozialistischen Achse Österreich - Bayern - Ungarn - Russland. Damit
waren auch Hoffnungen verbunden, sich gegen die Berliner Reichsregierung, in
der sich ein pluralistisches System durchgesetzt hatte, zu behaupten.
Nach
einer neuerlichen Revolution floh das Kabinett Hoffmann
und der Landtag nach Bamberg, wo sie ihre Arbeit fortsetzten. Diese Arbeit - ab
7./8. April ohne die Mitglieder der USPD,
die nach offizieller Ausrufung der Räterepublik
aus der Regierung austraten - war im folgenden Monat wesentlich geprägt von der
Organisation des Kampfes gegen die nun folgende Räterepublik.
Davon abgesehen, erließ sie am 24. April eine neue Gemeindeverfassung für Bayern.
Drei
Wochen nach der Niederschlagung der Räterepublik legte die Regierung Hoffmann
am 24. Mai dem Landtag einen Verfassungsentwurf (Bamberger Verfassung) vor. Bevor dieser
Entwurf verabschiedet werden konnte, leitete ihn die Mehrheit der Abgeordneten
zunächst an einen Ausschuss weiter.
Am 7. April riefen der Literat Ernst Toller (seit Eisners Tod Vorsitzender der USPD), der parteilose anarchistische Poet und Schriftsteller Erich Mühsam, sowie der ebenfalls parteilose Philosoph und Theoretiker des Anarchismus Gustav Landauer die „Räterepublik Baiern“ aus. Den Vorsitz des neu gebildeten „Zentralrats“ übernahm zunächst Ernst Niekisch, den noch am ersten Tag Toller ablöste.
Unter
anderem kündigte die Räteregierung
an, die Presse zu sozialisieren, eine Rote Armee und ein Revolutionsgericht zu
bilden. Sie wollte eine „brüderliche Verbindung“ mit dem russischen und
ungarischen Volk aufnehmen und lehnte „jede Zusammenarbeit mit der
verächtlichen [Reichs-]Regierung Ebert-Scheidemann-Noske-Erzberger“ ab.
Aus der formell amtierenden Regierung Hoffmann traten die USPD-Minister und Karl Neumaier aus. Die restliche (parlamentarische) Regierung, die sich in München nicht mehr durchsetzen konnte, floh nach Bamberg.
Auch
einige andere bayerische Städte wie beispielsweise Rosenheim, Kempten, Lindau, Regensburg,
Fürth, Würzburg, Schweinfurt,
Aschaffenburg
und Hof
schlossen sich offiziell der Räterepublik an.
Trotz ihrer im späteren Rückblick betrachteten Popularität aufgrund der ungewöhnlichen Ansammlung prominenter Kulturgrößen im Münchner Zentralrat hatte diese Räterepublik faktisch nur eine geringe Bedeutung, weil ihre Regierung in der Praxis fast keines der vielen sehr radikal klingenden Dekrete umsetzen konnte. Diese Regierung vertraute idealistisch auf die freie Entfaltung der Individuen und der Gesellschaft im neuen Bayern.
Ohne
Instanzen zur Durchsetzung ihrer Macht - eine „Macht“, die aus einem oft anarchistisch
geprägten Selbstverständnis ihrer Protagonisten heraus als „Herrschaft“
im Grunde abgelehnt wurde - verpufften ihre Entscheidungen, die auch für viele
Anhänger der Räterepublik nicht nachvollziehbar waren. Außerdem lähmten
Probleme mit der Lebensmittelversorgung und ein erneuter Generalstreik
zusätzlich den Handlungsspielraum der neuen Räteregierung. Vor allem aufgrund
ihrer Ineffektivität wurde sie bald abgelöst.
Die
Anführer der noch relativ jungen KPD, die eine proletarische Revolution im
Sinne der Oktoberrevolution der russischen Sowjets unter
Führung der Kommunistischen Partei anstrebten,
betrachteten den Zentralrat als eine Ansammlung kleinbürgerlicher
Idealisten und bezeichneten deren Räterepublik als „Scheinräterepublik“.
Am 13. April (Palmsonntag) kam es unter der Führung von Heinrich Aschenbrenner, einem Kommandanten der zur Bamberger Regierung loyalen Republikanischen Schutzwehr, zu einem Putschversuch gegen die Räterepublik, bei dem einige Mitglieder des Zentralrats kurzfristig verhaftet wurden. Die Aktion wurde von der sich im Aufbau befindenden „Roten Armee“ unter Soldatenrat Rudolf Egelhofer (KPD), der als Matrose Ende Oktober 1918 schon am Kieler Aufstand beteiligt gewesen war, am selben Tag niedergeschlagen, wobei 17 Personen starben.
Als
Reaktion riefen im Hofbräuhaus die Betriebs- und Soldatenräte noch während
der Kämpfe die Kommunistische Räterepublik aus. Die gesetzgebende und
die vollziehende Gewalt wurden in dieser zweiten Räterepublik an einen Aktionsausschuss
aus 15 Personen unter Führung von Eugen
Leviné übertragen. Von diesem Aktionsausschuss wurde ein aus vier Personen
bestehender Vollzugsrat gewählt, dem neben dem von der KPD-Zentrale in Berlin
nach München entsandte Eugen Leviné auch Max Levien angehörte.
Ebenso wie Leviné stammte Levien ursprünglich aus Russland, wo beide an revolutionären Entwicklungen beteiligt gewesen waren. Obwohl sowohl Leviné als auch Levien schon lange vor dem 1. Weltkrieg die deutsche Staatsbürgerschaft erhalten hatten, bildete ihre Herkunft für nationalkonservative und rechtsextreme Kreise einen willkommenen Anlass, die Angst vor einer „russischen Bolschewisierung“ Bayerns zu schüren, wobei ihre zusätzlich jüdische Herkunft eine von rassistischen und antisemitischen Vorurteilen geprägte Grundstimmung im entsprechenden Umfeld noch verstärkte.
Tatsächlich
bildeten die bayrischen Räte in ihrer Gesamtheit jedoch eine äußerst heterogene
Mischung, bei der sehr unterschiedliche Sozialismus-Vorstellungen
vertreten wurden. Im Überblick betrachtet waren die Anhänger eines Rätemodells
nach sowjetrussischem Vorbild an der Basis der von der KPD dominierten Räteregierung nur
eine Minderheit.
Bei
alledem war die kommunistische Räterepublik konsequenter in der praktischen
Umsetzung ihrer Ziele als ihre unmittelbaren Vorgänger. Doch auch ihr war unter
den denkbar ungünstigen Bedingungen der militärischen Bedrohung nur sehr wenig
Zeit und Gelegenheit beschieden, ihre Vorstellungen umzusetzen.
Ernst
Toller und Gustav
Landauer erkannten den Aktionsausschuss an und beteiligten sich zunächst
auch an der kommunistischen Räterepublik. Allerdings trat Landauer, nachdem
sein Kulturprogramm von Leviné abgelehnt
worden war, schon drei Tage später, enttäuscht und resignierend wegen Haltung
und Politik der KPD-Führung, von allen seinen Posten und Ämtern in der
Räterepublik zurück.
Die
kommunistische Räteregierung verbot die gegen sie agitierende bürgerliche Presse.
Lebensmittel und dringend benötigter Wohnraum, vor allem in Hotels, wurden
beschlagnahmt, ein zehntägiger Generalstreik ausgerufen und anderes mehr.
Um
die Räterepublik zu schützen, wurde die Rote Armee unter Rudolf
Eglhofer zu einer Stärke von bis zu 20.000 Mann ausgebaut. Ihm wurde Ernst
Toller als stellvertretender Inhaber des militärischen Oberkommandos zur
Seite gestellt. Die „Rote
Armee“ war militärisch sowohl quantitativ als auch qualitativ, nicht
zuletzt aufgrund des Mangels an Erfahrung in deren Mannschaft und Führung, den
anrückenden Freikorps und Reichswehreinheiten
deutlich unterlegen.
Dennoch gelang es am 16. April einigen Einheiten der Rotgardisten unter dem Kommando Ernst Tollers, bis Dachau vorgedrungene Freikorpsverbände zu besiegen und zunächst zurückzudrängen.
Ernst Toller war, bedingt durch seine Kriegserfahrungen, im Grunde ein überzeugter Pazifist. Er übernahm die Befehlsgewalt über die „Rote Armee“ nur ungern, jedoch mit der Einsicht der aus der Situation geborenen Notwendigkeit. Seine Erfahrungen und den gewissensbelastenden Zwiespalt zwischen gewaltablehnender Überzeugung und der Notwendigkeit der Verteidigung einer sozialen Revolution verarbeitete er später im expressionistischen Theaterstück Masse Mensch, das nach seiner späteren Verurteilung im Gefängnis entstand.
Die
Räteregierung
beabsichtigte, keinen eigenen Weg zu gehen, sondern die Revolution
in Bayern zu einem Teil der internationalen Revolution unter Moskauer
Führung zu machen - im Verbund mit der ungarischen Räterepublik und einer sich in Österreich
zu dem Zeitpunkt scheinbar ebenfalls ankündigenden revolutionären Umgestaltung.
Leviné
nahm Kontakt zu Russland
auf, um sich der Unterstützung Lenins zu versichern. Der schickte ein knapp gehaltenes
Telegramm, in dem er seine grundsätzliche inhaltliche Solidarität bekundete und
konkrete Fragen stellte, beziehungsweise Vorschläge bezüglich der Umsetzung der
proletarischen Machtergreifung unterbreitete. Da sich Russland selbst zwischen
1918 und
Inzwischen
verbreiteten die Revolutionsgegner Gerüchte über angebliche Gräueltaten der
Revolutionäre in München, die zu einer massiven Gegenbewegung führten. Die Regierung
Hoffmann in Bamberg hetzte die Landbevölkerung gegen die „Diktatur der
Russen und Juden“ in der Stadt auf, die angeblich die Frauen zu Gemeineigentum
erklärt hätten. Eine Hungerblockade gegen die Münchner Räterepublik war die
Folge.
Hoffmann und die Mehrheit des „Bamberger Landtags“ unterstützten die Bildung von rechtsextremen Freikorps zur gewaltsamen Niederschlagung der Räterepublik. Es gelang den „Bambergern“ aber nicht, ausreichend bayerische Truppen zu rekrutieren, die zum Kampf gegen ihre Landsleute in München bereit waren. Ministerpräsident Hoffmann (SPD) forderte deshalb von Reichswehrminister Gustav Noske (SPD) zusätzlich zu den Freikorps Reichswehrverbände aus Berlin an, die er nach der Niederlage der Freikorps in Dachau zugesagt bekam.
In der zweiten Aprilhälfte rückten etwa 35.000 Soldaten unter General Burghard von Oven gegen München vor. Mit dabei waren Offiziere wie Franz Ritter von Epp, der bereits im Jahr 1900 bei der Niederschlagung des Boxeraufstandes im Kaiserreich China und 1904 an dem berüchtigten Massaker an den Hereros in Deutsch Süd-West-Afrika beteiligt gewesen war. Dem Freikorps von Epp schloss sich auch der spätere Führer der SA Ernst Röhm an. Viele Soldaten trugen schon das Hakenkreuz am Helm, das Symbol des völkisch-nationalistischen Geheimbunds der Thule-Gesellschaft, deren etwa 250 Münchner Mitglieder in verdeckten Aktionen gegen die Revolution aufgetreten waren.
Die
„Rote Armee“ konnte zwar
anfängliche Gefechte gewinnen, doch die gegenrevolutionäre „weiße“ Armee aus
preußischen und württembergischen Truppen sowie Freikorps besetzte am 20.
April Augsburg,
wo es daraufhin zu einem Generalstreik kam. Die Bamberger Regierung verhängte
am 25. April über München das Standrecht. Den Revolutionären gelang es nicht,
ausländische Hilfe zu gewinnen oder den Münchner Erzbischof als Geisel zu
nehmen.
In der Folge entstanden Spannungen im Aktionsausschuss zwischen Mitgliedern der USPD (Toller) und der KPD (Leviné). Beide Fraktionen erkannten, dass die Chancen einer erfolgreichen Verteidigung der Räterepublik nahezu aussichtslos waren. Wo die Leute um Toller aber auf Verhandlungen mit der Regierung Hoffmann drängten, um sinnlose Opfer zu vermeiden, bestand die kommunistische Führung auf der Fortführung des Kampfes als historisches Signal für spätere revolutionäre Möglichkeiten. Eine Einigung war nicht möglich, jedoch konnte sich Toller zunächst durchsetzen. Am 27. April trat der Aktionsausschuss zurück, und wurde neu gewählt, diesmal ohne Kommunisten. Die gesuchten Verhandlungen mit der Regierung Hoffmann scheiterten. Sie war zu keinen Kompromissen bereit und bestand auf der bedingungslosen Kapitulation der Räterepublik.
Nachdem
es beim Vormarsch der Freikorps
auf München zu willkürlichen Erschießungen von, auch vermeintlichen, Anhängern
der Räterepublik
gekommen war, wurden am 30. April zehn im Münchner
Luitpold-Gymnasium festgehaltene Geiseln, die meisten von ihnen Mitglieder
der rechtsextremistischen Thule-Gesellschaft, von Mitgliedern der „Roten Armee“ ermordet.
Am
1. Mai 1919
schloss die „weiße“ Armee München ein und eroberte die Stadt bis zum
darauffolgenden Tag vollständig. Damit endete die letzte Räteregierung sowohl
in Bayern als auch in ganz Deutschland. Der Widerstand der übrig gebliebenen
etwa 2000 Kämpfer der „Roten
Armee“ war insgesamt schwach und blieb auf einige wenige Stellen
beschränkt.
Der
„Geiselmord“ vom 30. April im Luitpold-Gymnasium galt den Freikorps als zusätzliche
Rechtfertigung für ihre nun folgende Terrorherrschaft in München, die weitaus
mehr Menschenleben fordern sollte als die Kämpfe bis zum 3. Mai.
Die
Regierung
Hoffmann kehrte einige Wochen später nach München zurück. Das Standrecht
wurde am 1. August aufgehoben. Am 14. August wurde die „Bamberger Verfassung“
unterzeichnet, die am 15. September in Kraft trat. Der Kriegszustand endete am
1. Dezember 1919.
Während
der Kämpfe bis zur Niederschlagung
der Revolution wurden 606 Tote registriert, davon waren 233 Kämpfer der Roten Armee und 335
Zivilisten, die meist als vermeintliche Revolutionäre durch die Freikorps getötet worden
waren. Die restlichen 38 Toten waren als Angehörige der konterrevolutionären
Regierungstruppen/Freikorps gefallen. Die Dunkelziffer weiterer Todesopfer bis
3. Mai liegt hoch, es wurden teilweise bis zu 400 weitere Tote geschätzt, die
wesentlich den Erschießungskommandos der Freikorps zum Opfer gefallen sein
dürften. Unter anderem wurden 52 russische Kriegsgefangene von einem Freikorps in einer Kiesgrube
bei Gräfelfing
erschossen.
Gustav Landauer wurde
am 2. Mai von Soldaten und Freikorps-Mitgliedern im Gefängnis Stadelheim durch
Pistolenschüsse schwer verletzt und schließlich zu Tode getreten. Am 3. Mai
wurde auch Kriegskommissar Rudolf Egelhofer ohne
Gerichtsurteil ermordet.
Nach der Niederlage der Räterepublik wurden Hunderte auch aufgrund falscher und willkürlicher Denunziationen verhaftet und hingerichtet. Beispielsweise denunzierte ein Pfarrer aus München-Perlach zwölf Arbeiter, die dann von Freikorps-Soldaten ausgeplündert und ermordet wurden. Auch Adolf Hitler, zu jener Zeit in München kasernierter Soldat, denunzierte mehrere mit der Räterepublik sympathisierende Kameraden seines ehemaligen Regiments.
>
In
den folgenden Wochen wurden über 2200 Unterstützer der Räterepublik von
Standgerichten zum Tode oder zu Haftstrafen verurteilt. Max Levien
war einer der wenigen revolutionären Anführer, denen die Flucht gelang. Eugen Leviné
wurde des Hochverrats angeklagt und zum Tode verurteilt. Nach seiner
Hinrichtung am 5. Juni 1919 kam es unter anderem in Berlin zu einem
Generalstreik. Erich
Mühsam wurde zu 15 Jahren Haft verurteilt, jedoch nach 5 Jahren amnestiert,
Toller zu fünf Jahren, die er vollständig absaß.
Der
auf beiden Seiten entstandene Hass vergiftete lange die politischen
Verhältnisse. Die Tatsache, dass einige der führenden Personen derele Tote,
Hass und die Dolchstoßlegende sowie die Versäumnisse der
Revolution wie etwa eine (ausgebliebene) Demokratisierung der monarchistischen
Justiz und Verwaltung waren ein schweres Erbe für die Demokratie in der Zeit
der Weimarer Republik und begünstigten den Aufstieg
der Nationalsozialisten, der in Bayern seinen Ausgang
nahm.
Die
juristische Aufarbeitung der Münchner
Räterepublik nach ihrer Niederschlagung zeigte zum ersten Mal in großem
Stil die politische Einseitigkeit der Justiz in der Weimarer
Republik: Während politisch rechts motivierte Verbrechen gar nicht oder
sehr milde bestraft wurden, wurden links motivierte Straftaten mit der vollen
Härte des Gesetzes verfolgt.
Nach der Niederschlagung der Revolution wurde Bayern zur „Ordnungszelle“ in Deutschland. Der Freistaat galt zugleich als wichtiger Zufluchtsort für viele andernorts straffällig gewordene Rechtsextremisten, beispielsweise Mitgliedern der Terrorgruppierung Organisation Consul, die für mehrere politische Morde verantwortlich war, darunter auch an den Reichspolitikern Matthias Erzberger und Walter Rathenau.
Am
9. November 1923 fand in
München der Hitlerputsch statt. Der wurde zwar sehr schnell von
regulärem Militär niedergeschlagen, aber später von der nationalsozialistischen
Propaganda zum Heldenmythos
verklärt. Hitler erkor
darauf München zur „Hauptstadt
der [nationalsozialistischen] Bewegung“
Siehe auch: Geschichte Bayerns