3.1 Die Münchner Räterepublik im Überblick (November 1918 bis 2. Mai 1919)

http://de.wikipedia.org/wiki/Muenchener_Raeterepublik

Die Münchner oder Bayerische Räterepublik war nach den sich überschlagenden Ereignissen der Novemberrevolution in Bayern ab dem 7. November 1918, im engeren Sinn die Bezeichnung für die zweite Revolutionsphase in München - von der offiziellen Ausrufung der Räterepublik am 7. April 1919 bis zu ihrer gewaltsamen Niederschlagung am 2. Mai 1919 -. Sie gilt als der kurzlebige Versuch, nach Ende des Ersten Weltkriegs einen sozialistischen Staat in Form einer Rätedemokratie in dem aus dem vormaligen Königreich Bayern entstandenen „Freistaat“ (der bayerischen Republik) zu schaffen.

Die Münchner Räterepublik war ein nachwirkender, relativ eigenständiger Teil der das ganze Deutsche Reich umfassenden Novemberrevolution, die nach dem bayerischen König auch alle weiteren Monarchen und regierenden Fürsten der deutschen Teilstaaten einschließlich des deutschen Kaisers Wilhelm II. vom Thron gestürzt hatte.




Die reichsweite Novemberrevolutionführte nach bürger-kriegsähnlichen Kämpfen zwischen Vertretern des Parlamentarismus und der Rätedemokratie bis Mitte <1919 zur Gründung der Weimarer Republik mit parlamentarisch-pluralistischen Strukturen im Reich und den deutschen Ländern, wobei sich Bayern in dieser ersten deutschen Republik nach der Niederschlagung der Revolution (zuletzt der Räterepublik in München) sozusagen zur „Brutstätte“ des deutschen Rechtsextremismus, insbesondere des Nationalsozialismus, entwickelte.

Einleitender Überblick

Am Ende des Ersten Weltkriegs kam es angesichts der sich spätestens ab Ende September 1918 abzeichnenden deutschen Kriegsniederlage und der aus der Unterversorgung resultierenden Not in Deutschland zur Novemberrevolution. Die Revolution breitete sich innerhalb weniger Tage ausgehend vom Matrosenaufstand in Kiel im ganzen Deutschen Reich aus und erfasste auch das Königreich Bayern und dessen Hauptstadt München - noch vor der Reichshauptstadt Berlin.

Als erster deutscher Monarch wurde am 7. November 1918 der bayerische König Ludwig III. abgesetzt. Damit wurde das mindestens seit 919 (es gibt unterschiedliche Anfangsdaten) in Bayern etwa 1000 Jahre existierende und seit 1180 herrschende Adelsgeschlecht der Wittelsbacher gestürzt. Kurt Eisner von der Unabhängigen Sozialdemokratischen Partei (USPD) rief den Freien Volksstaat Bayern aus und wurde vom schnell gebildeten Arbeiter-, Bauern- und Soldatenrat zum ersten Ministerpräsidenten der bayerischen Republik gewählt.




Am 12. Januar 1919 fand nach einem neuen allgemeinen Wahlrecht die Wahl zu einem verfassunggebenden Landtag statt, bei der die USPD eine Niederlage hinnehmen musste.

Nachdem Kurt Eisner am 21. Februar 1919 kurz vor seiner geplanten Rücktrittserklärung von einem rechtsextremen Attentäter ermordet worden war, wurde die Landtagssitzung nach Tumulten mit zwei weiteren Todesopfern vertagt. Als provisorische Regierung konstituierte sich ein „Zentralrat der bayrischen Republik“ unter Ernst Niekisch (SPD, später USPD). In der Folgezeit spitzten sich die Machtkämpfe zwischen Anhängern des Rätesystems und des pluralistischen Parlamentarismus zu.

Am 17. März wurde Johannes Hoffmann (SPD) als Vertreter einer pluralistisch-parlamentarischen Demokratie vom Landtag zum Ministerpräsidenten Bayerns gewählt. Gegen dessen Regierung kam es ab 7. April in relativ kurzer Folge zur Bildung unterschiedlich geprägter Räterepubliken: Die erste war in ihrer Führung dominiert von pazifistischen und anarchistischen Intellektuellen, die zweite von Anhängern und Mitgliedern der Kommunistischen Partei Deutschlands.

Ab Mitte April griffen vom inzwischen nach Bamberg ausgewichenen Kabinett Hoffmann zu Hilfe gerufene Freikorpseinheiten, vereinzelt auch als Weiße Truppen bezeichnet, die Verteidiger der Räterepublik an und eroberten zusammen mit aus Berlin entsandten Reichswehrverbänden München bis zum 2. Mai 1919 zurück. Im Laufe der Kämpfe kam es auf beiden Seiten zu Grausamkeiten, bei denen hunderte Menschen starben, in der Mehrzahl als Opfer der rechtsextremen Freikorps.

Bestimmte Entwicklungen im Revolutionsverlauf, dabei vor allem das Vorgehen der SPD-Spitze mit ihrem Rückgriff auf reaktionäre und republikfeindliche militärische und paramilitärischer Verbände zur Niederschlagung der Räterepublik, und die sich daran anschließenden von blutiger Vergeltung der Konterrevolutionäre geprägten Ereignisse begünstigten wenige Jahre später den Aufstieg des Nationalsozialismus. In den 1920er Jahren wurde Bayern zur „Ordnungszelle“ Deutschlands. Hier begann auch die politische Karriere Adolf Hitlers, der 1923 in München mit einigen Anhängern den vorerst noch erfolglosen „Hitlerputsch“ durchführte.

Chronik

1918

Die Ereignisse in Bayern, vor allem in München:

Nachwirkungen:

Vorgeschichte

Durch die Versorgungsengpässe und das Massensterben im Ersten Weltkrieg wuchs die Unzufriedenheit der deutschen Bevölkerung. Weder im Reich noch in Bayern kam es zu einer schon seit längerem geforderten Demokratisierung. Im September 1917 hatte die SPD einen entsprechenden Antrag im bayrischen Landtag gestellt, in dem die wesentlichen Forderungen der bayrischen SPD enthalten waren, zum Beispiel: Abschaffung der privilegierten ersten Kammer des Landtags (in der nur der Adel vertreten war), mehr Mitbestimmungsrechte für den verbleibenden Landtag, ein neues Wahlrecht, sowie die Aufhebung des Adelsstandes insgesamt. Dieser Antrag war aber unter anderem am Zentrum und den Liberalen gescheitert.

Bei den reichsweiten Januarstreiks von 1918 wurden in Bayern, ebenso wie in vielen anderen Orten des Deutschen Reiches, ein Verständigungsfriede und weiterhin Demokratisierungen gefordert. Nach der Niederschlagung dieser Streikwelle wurde Kurt Eisner aufgrund seiner Beteiligung an ihrer Organisation in München verhaftet und blieb bis Oktober 1918 inhaftiert.

Zum Ende des Krieges wurde das deutsche Reich de facto nicht vom Kaiser oder seiner Regierung, sondern von der Obersten Heeresleitung (OHL) unter Paul von Hindenburg und Erich Ludendorff in der Art einer Militärdiktatur regiert.

In weiten Kreisen der bayrischen Bevölkerung wurde die Politik des preußischen Obrigkeitsstaats als eine der Hauptursachen für den Krieg betrachtet. Dem bayerischen König Ludwig III. wurde vorgeworfen nur ein Parteigänger des Kaisers zu sein. Dadurch verlor der schon zuvor unbeliebte König, der sich nach Ansicht der Bevölkerung 1913 zu Unrecht vom Prinzregenten zum König gemacht hatte, nach dem Eingeständnis der Kriegsniederlage durch die Oberste Heeresleitung (OHL) die letzte Autorität und Loyalität in Bayern.

Die OHL hatte erst Ende September 1918 die deutsche Niederlage im Weltkrieg offiziell eingestanden, obwohl sie die Lage schon im August als aussichtslos eingestuft hatte. Ende Oktober sollte die Hochseeflotte trotzdem noch zu einer aussichtslosen Entscheidungsschlacht auslaufen. Die Matrosen weigerten sich, sich so kurz vor dem ersehnten Kriegsende auf eine Selbstmordmission zu begeben.

Am 29. Oktober meuterte im norddeutschen Wilhelmshaven die Besatzung der Kriegsflotte und wenig später kam es in Kiel zum offenen Aufstand der Matrosen, die die Stadt bis zum 3. November in ihre Gewalt brachten. Während des Aufstands wurden Soldaten- und Arbeiterräte gebildet. Der Erfolg der Matrosen breitete sich in kurzer Zeit in ganz Deutschland aus und führte zur Novemberrevolution.

In Bayern kam es noch zu einem letzten Versuch, die Monarchie mit einer Verfassungsreform zu retten. Regierung und Parlament einigten sich am 2. November 1918 auf ein Abkommen zur Einführung des Verhältniswahlrechts, eine Reform der ersten Kammer des Landtags und die Überprüfung von Standesvorrechten. Am 7. November wurde die Regierung umgebildet und erstmals Zentrum, Demokraten und Sozialdemokraten daran beteiligt. Das Abkommen zur Parlamentarisierung wurde am 6. November von der 2. Kammer gebilligt und sollte am 8. November von der 1. Kammer verabschiedet werden. Aber diese Reformen kamen zu spät. Sie wurden durch die sich überstürzenden Ereignisse der Revolution überrollt.

Die verschiedenen Interessengruppen

Die drei bestimmenden politischen Parteien der Revolution, sowohl im Reich als auch in Bayern, waren die MSPD (oder SPD), die USPD und der Spartakusbund, bzw. ab Anfang 1919 die KPD. Speziell in Bayern spielten außerdem der Bayerische Bauernbund und, relativ unabhängig von der Parteienlandschaft, eine Fraktion linksintellektueller, teilweise anarchistischer Schriftsteller und anderer Kulturschaffender, die eher antiautoritäre und undogmatische Vorstellungen von Sozialismus vertraten, eine wichtige Rolle.

Weitere Vereinigungen waren der Allgemeine Studentenausschuss, der Rat der bildenden Künstler Münchens und der Aktionsausschuss revolutionärer Künstler.
Unter den Künstlern gab es jedoch auch bekannte Gegner der Revolution, beispielsweise Thomas Mann, aber auch er sah die Revolution als durch den fehlenden Widerstand legitimiert an.
Die erste offiziell ausgerufene Räterepublik vom 7. April bis 13. April 1919 war von Literaten wie dem Pazifisten Ernst Toller (USPD), oder den parteilosen Anarchisten Gustav Landauer und Erich Mühsam geprägt. Auch der Finanztheoretiker und Begründer der Freiwirtschaftslehre Silvio Gesell, dem Ernst Niekisch zuvor einen Sitz in der Sozialisierungskommission angeboten hatte, wurde als Finanzminister Mitglied in der Regierung der ersten Räterepublik, dem sogenannten „Zentralrat“. Toller und Landauer beteiligten sich auch nach der Führungsübernahme durch die KPD, die die erste Räterepublik als Scheinräterepublik bezeichnet hatte, an der kommunistisch dominierten zweiten Räterepublik. Allerdings trat Landauer, enttäuscht von der Haltung und Politik der KPD-Führung, schon drei Tage nach der kommunistischen Revolution von seinen politischen Funktionen und Ämtern zurück.

Abgesehen von der SPD-Führung traten neben schon bestehenden konservativen und republikfeindlichen Parteien einige erst während der Revolution gegründete konservative und rechtsextreme Gruppierungen als strikte Gegner der linken Revolutionäre auf, die jedoch als politische Parteien bis zur Niederschlagung der Räterepublik nur eine marginale Rolle inne hatten.



Die BVP als Schwesterpartei des Zentrums will andeuten, dass die bayerische Revoutionsregierung unter Kurt Eisner (USPD) zu ähnlichem Radikalismus neigt.


Ebenfalls während der Revolution, am 5. Januar 1919, wurde mit der Deutschen Arbeiterpartei eine völkisch-rechtsextreme und antisemitische Partei gegründet, die aber zunächst relativ bedeutungslos blieb. 1920 wurde sie in NSDAP umbenannt und gewann später eine zunehmend verhängnisvolle Bedeutung in der deutschen Geschichte.
Text nach www.wikipedia.de ; Bebilderung von : Christian Heidinger
Verwendete Literatur:
Bernhard Grau, Kurt Eisner : 1867-1919. Eine Biografie . München 2001.
Oskar Maria Graf, Wir sind Gefangene . München 2002
Hans Beyer, Die Revolution in Bayern 1918/19 . 1988
Deutscher Bundestag. Wissenschaftliche Dokumentation (Hrsg.), Abgeordnete des deutschen Bundestages. Aufzeichnungen und Erinnerungen, Band 1, S. 15-79: Josef Felder; Mein Weg: Buchdrucker - Journalist - SPD-Politiker; Bonn 1982 ;
Josef Felder, Warum ich Nein sagte. Erinnerungen an ein langes Leben für die Politik; Reinbek 2002
Weblinks:
LEMO - Deutsches Historisches Museum: Die Münchner Räterepublik
http://www.fes.de
http://www.wikipedia.de
http://www.uni-regensburg.de/Fakultaeten/phil_Fak_III/ Geschichte/ Bayern.html