Im Nationalsozialismus
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5.1 Widerstand vor der Emigration
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 

5.2 Emigration und Exil
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 

5.3 Konzentrationslager Dachau
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 

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4.2 Haltung der SPD zum Ermächtigungsgesetz

Bei der Abstimmung über das Ermächtigungsgesetz am 23. März 1933 waren 94 der 120 gewählten SPD-Abgeordneten anwesend. Von den 26 abwesenden Fraktionsmitgliedern waren drei krank, hierunter der durch Misshandlungen der SA schwer verletzte Wilhelm Sollmann, elf verhaftet und zwölf aufgrund der Bedrohung durch die Nationalsozialisten emigriert. Diese wurden für die Sitzung jedoch größtenteils vom Parteivorstand als krank gemeldet.


Vor der Abstimmung hielt die SPD-Fraktion am 22. und am Vormittag des 23. März 1933 Beratungen über die Haltung zum Ermächtigungsgesetz ab. Diese fanden im durch den Reichstagsbrand stark beschädigten Reichstagsgebäude statt. Die Abgeordneten diskutierten zwar, ob sie überhaupt an der Abstimmung teilnehmen sollten, es wurde jedoch zu keinem Zeitpunkt erwogen, dem Gesetzesentwurf zuzustimmen.


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Luise Schröder

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„Auch du wirst hinübergehen und wirst mit Nein stimmen! [...] Ich gehe hinüber und wenn sie mich in Stücke reißen. Man muß vor aller Welt den Nazis widersprechen und mit Nein stimmen.“ (Josef Felder, S. 120)

Dies entgegnete die Abgeordnete aus Schleswig-Holstein, Luise Schröder, erregt auf die Bedenken eines Fraktionsmitgliedes, ob sie überhaupt noch lebend aus der Abstimmung herauskämen.


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Kurt Schumacher

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Nachdem sich auch der Parteivorsitzende Otto Wels und der jüngere Kurt Schumacher entschieden gegen ein Fernbleiben von der Sitzung stellten, war der Fraktion klar, dass sie sich der Gefahr aussetzen und gegen die Gesetzesvorlage stimmen musste. Sie beschloss, dass alle Abgeordneten, sofern sie nicht jüdischer Abstammung waren, dazu verpflichtet seien, zur Abstimmung zu erscheinen und ihre Stimme gegen das Ermächtigungsgesetz abzugeben.




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Otto Wels

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Anschließend diskutierte die Fraktion jeden einzelnen Satz der Rede, die Otto Wels vor der Abstimmung im Reichstags halten sollte. Der Entwurf, den der Parteivorsitzende selbst verfasst hatte, wurde nur in einigen wenigen Punkten abgeändert. Sein Entschluss „in dieser schweren Stunde die Verpflichtung, das Nein der Sozialdemokratie auszusprechen“ zu übernehmen und die Rede „auf jede Gefahr hin“ (Josef Felder, S. 128) selbst zu halten, wurde zwar zunächst von einigen jüngeren Abgeordneten kritisiert, aber letztendlich vom Großteil der Fraktion befürwortet.


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Julius Leber

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Die Abgeordneten der SPD hatten große Angst um ihre persönliche Sicherheit, ihr Leben und ihre Familien. In der Nacht vom 22. auf den 23. März waren sie den Anpöbelungen durch die randalierende SA und SS ausgesetzt. Um sich gegenseitig verteidigen zu können, wohnten die Abgeordneten immer zu zweit oder zu dritt im Hotel. Auch auf dem Weg zum Sitzungssaal wurden sie bedroht, einer der Abgeordneten – Julius Leber – verhaftet. Die anderen mussten sich eine Gasse durch Nazi-Trupps bahnen, um zum Sitzungssaal zu gelangen. Dort wurden sie von bewaffneter SA und SS umstellt.


Unter deutlich hörbaren Nazi-Chören vor dem Reichstagsgebäude und im Anblick der SA und SS hielt der Parteivorsitzende Otto Wels im Reichstag die zuvor in der Fraktion diskutierte Rede. Hierin sprach er unter lebhaftem Beifall der Sozialdemokraten den Grundsatz der Fraktion aus: „Freiheit und Leben kann man uns nehmen, die Ehre nicht.“ Außerdem bekannte er sich im Namen der deutschen Sozialdemokraten zu den in der Verfassung von Weimar festgelegten „Grundsätzen des Rechtsstaates, der Gleichberechtigung, des sozialen Rechts“ und „zu den Grundsätzen der Menschlichkeit und der Gerechtigkeit, der Freiheit und des Sozialismus“ (Fünfzig Jahre danach, S. 69ff).


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Auszug aus dem Protokoll der Reichstagssitzung vom 23. März 1933, Teil 1, 23.03.1933

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Auszug aus dem Protokoll der Reichstagssitzung vom 23. März 1933, Teil 2, 23.03.1933

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Auszug aus dem Protokoll der Reichstagssitzung vom 23. März 1933, Teil 3, 23.03.1933

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Die 94 Abgeordneten der SPD, die an der Sitzung teilnehmen konnten, stimmten trotz der großen Gefahr geschlossen gegen das Ermächtigungsgesetz. Ihr mutiges „Nein“ bei der namentlichen Abstimmung war ein unvergessliches Bekenntnis für den Parlamentarismus.


Verfasserin: Anja Ruisinger


Literatur:
Heinrich Potthoff, Susanne Miller. Kleine Geschichte der SPD 1848-2002. Bonn, J.H.W. Dietz Nachf. 2002 (vgl. S. 144ff)
Jutta von Freyberg, Georg Fülberth, Jürgen Harrer, Bärbel Hebel-Kunze, Heinz-Gerd Hofschen, Erich Ott, Gerhard Stuby. Geschichte der deutschen Sozialdemokratie 1863-1975. Köln, Pahl-Rugenstein Verlag 1975 (vgl. S. 188ff)
Reinold Schattenfroh (Hrsg.), Annerose Benecke (Hrsg). Fünfzig Jahre danach. Das Ermächtigungsgesetz. Berlin (West), Institut für soziale Demokratie (August-Bebel-Institut) 1983 (vgl. S. 60-76)
Josef Felder. Warum ich Nein sagte. Reinbek bei Hamburg, Rowohlt Taschenbuch 2002 (vgl. S. 115-134)

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