Mit
der Parole "Kinderspeisung
statt Panzerkreuzer" kritisierte die oppositionelle SPD
im Wahlkampf 1928 die
Entscheidung der bürgerlichen Reichstagsmehrheit, Zuschüsse zu Schulkinderspeisungen
zu streichen, dem Bau des kostspieligen Panzerkreuzers A hingegen
zuzustimmen. Das Schiff, dessen vorgegebene militärische Bedeutung für den
Küstenschutz in der Ostsee mehr als fraglich erschien, galt als Prestigeobjekt
der Marine. Sie wollte durch die neue Bauweise des Kreuzers das im Versailler Vertrag festgelegte Verbot
deutscher Großkampfschiffe umgehen.
Die
sozialdemokratische Basis reagierte entrüstet, als das nach der Reichstagswahl 1928 neu gebildete Kabinett unter dem sozialdemokratischen Reichs-kanzler
Hermann Müller einmütig dem Bau des Panzerkreuzers zustimmte,
um damit eine Regierungskrise innerhalb der Großen
Koalition zu vermeiden.
Den
innerparteilichen Konflikt in der SPD
versuchte die KPD auszunutzen,
indem sie im August 1928 ein - letztlich gescheitertes - Volksbegehren
für einen Volksentscheid einleitete, um den Bau von Panzerkreuzern gesetzlich
verbieten zu lassen. Unter dem Druck der Parteibasis stellte die
Reichstagsfraktion der SPD
schließlich im November 1928 den Antrag, den Bau des Panzerkreuzers A
einzustellen.
Demonstration gegen den Panzerkreuzerbau
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Die
unter Fraktionszwang
stehenden sozialdemokratischen Regierungsmitglieder mussten paradoxerweise
gegen den eigenen Kabinettsbeschluss für den Antrag stimmen, der aber von der
Reichstagsmehrheit abgelehnt wurde. Eine Ausweitung der Regierungskrise
konnte dadurch vermieden werden. Das öffentliche Echo auf die
"Selbstdemütigung" der regierenden SPD
war hingegen verheerend: Von vielen Seiten wurde ihr Heuchelei und fehlende
Glaubwürdigkeit vorgeworfen.
Panzerkreuzer SMS Hindenburg
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Den
Wahlkampf 1928 hatte
die SPD
mit Josef Felder in
Schwaben mit einer sehr wirksamen Parole geführt: „Panzerkreuzer
oder Kinderspeisung“. Im Haushaltsplan der abgetretenen Regierung Marx waren
mehrere Millionen, die der Schulkinderspeisung dienten, gestrichen worden.
Stattdessen hatte die Regierung neun Millionen Mark als erste Rate für den Bau
eines Panzerkreuzers
verplant. Dagegen richtete sich der heftige Protest der SPD,
was auf breite Zustimmung bei den Wählern traf. Die Wahl fiel für die SPD
sehr gut aus und brachte den SPD-Politiker
Hermann Müller an die Regierung.
Als Hermann
Müller aber dann das Panzerkreuzerprojekt
in seinem Etat beließ, entfachte das große Empörung in verschiedenen
Parteibezirken und Ortsvereinen, besonders in Augsburg und Schwaben, wo Josef Felder tätig war.
Der Grund dafür lag darin, dass Augsburg eine Stadt mit vielen Arbeitern war,
die für die Kinderspeisung und gegen den Panzerkreuzer eintraten. Deshalb
wurde, mit Zustimmung der schwäbischen Landtagsabgeordneten, eine
Massenkundgebung in Augsburg einberufen, auf welcher der Reichstagsabgeordnete
Georg Simon die Ablehnung der Ratenzuweisung für das Kriegsschiff forderte.
Dies stand im Gegensatz zu der Haltung des bayrischen Landesvorstands
unter Erhard Auer und
glich, laut Josef Felder,
einer Art Basis-Revolte. Die Eintracht der SPD im Wahlkreis Oberbayern-Schwaben
war daraufhin für einige Zeit gestört.
Ablehnung des Panzerkreuzer in Augburg
Erhard Auer schickte
daraufhin den Münchner Abgeordneten Hans Unterleitner zu
Versammlungen nach Schwaben, um für den Panzerkreuzer Verständnis in der
Bevölkerung und in der SPD zu wecken. Josef Felder
veröffentlichte in der Schwäbischen
Volkszeitung, wo er als Chefradakteur tätig war, die lokalen Berichte über Unterleitners
Referate in Schwaben ungekürzt, fügte aber hinzu, dass man in Augsburg und
Schwaben ganz anders über diese Frage denke. Dies führte zu einer, wie es Josef
Felder beschrieb, stürmischen Sitzung im Bezirksvorstand Oberbayern-Schwaben
und zu der Äußerung Erhard
Auers über Josef Felder: „Wenn dieser junge Mann in Augburg sich weiter
so verhält, dann muss er weg!“
Beim
SPD-Parteitag in Magdeburg,
bei dem es um die Richtlinien für ein Wehrprogramm der SPD ging, war Josef Felder Mitglied der
neunköpfigen Delegation des 24. Wahlkreises Oberbayern-Schwaben. Sie wurde
angeführt von Erhard Auer,
dem Landessekretär Georg Keil und dem Münchner Parteichef Thomas Wimmer.
Bei
der Auseinandersetzung über die Regierungspolitik Hermann
Müllers bekam der Delegierte Dr.
Eckstein aus Breslau starken Beifall mit folgenden Sätzen:
„Unter Führung des Parteivorsitzenden
Müller haben wir 1928 das Wahlversprechen gegeben, den Panzerkreuzer nicht zu
bauen. Unter dem Kanzler Müller wird er gebaut. Unter dem Parteivorsitzenden
Müller haben wir das Wahlversprechen der Kinderspeisung gegeben, unter dem
Kanzler Müller werden die Mittel dazu gestrichen. Unter der Führung des Parteivorsitzenden Müller
haben wir das Wahlversprechen gegeben, den Reichswehr-Etat auf 500 Millionen zu
senken, unter dem Kanzler Müller wird dieses Versprechen ebenso wie das der
Demokratisierung der Reichswehr nicht eingelöst.“
Dr. Eckstein wurde erwidert, dass es sich um eine Regierungskoalition
der SPD
mit bürgerlichen Parteien handle und die SPD
nicht in der Mehrheit sei. Diese Position fand ebenfalls großen Anklang bei den
Anwesenden. Die SPD war gespalten.
Im Verlauf der Debatte ergriff auch
der Stuttgarter Parteiredakteur Dr. Kurt Schumacher das
Wort. Er sagte wörtlich: „Der Vater des Wehrprogramms ist der Panzerkreuzer
A. Die Erleichterung für kommende Entscheidungen, die manche von diesen
Richtlinien erwarten, werden nicht eintreten. Ich glaube, dass die Grundsätze
des Parteiprogramms zur praktischen Politik genügen, und meine, dass die Fahne,
unter der die Arbeiter der sozialdemokratischen Politik folgen werden, die
Fahne der Kriegsverhinderung mit allen Mitteln ist.“ Für diese Rede erhielt
auch Dr. Kurt Schumacher
großen Beifall.
Carl
Severing vertrat vehement die Ansicht, dass die Partei die Zusammenarbeit
mit der Reichswehr
benötige, wenn sie reale Macht erlangen und auch behalten wolle. Zudem erwähnte
er, dass die SPD nur in Zusammenarbeit mit dem bürgerlichen Reichswehrminister Wilhelm
Groener die „Republikanisierung der Reichswehr“ beginnen könne. Julius Leber
nannte die Spannung zwischen Reichswehr
und Arbeiterschaft einen gewaltigen Passivposten der Republik, welcher auch auf
das Konto der SPD
gehe. Emphatisch rief Julius Leber aus: „Denken Sie darüber nach und ziehen
Sie daraus die Konsequenzen. Ist an der Spannung die Reichswehr alleine schuld?
Derjenige, der diese Frage mit einem glatten Ja beantwortet, muss ein ziemlich
hartes Gewissen haben.“
Josef Felder war
außerordentlich beeindruckt von dieser Debatte, doch neigte er nach Abwägung
aller Argumente schließlich der Haltung Dr. Kurt Schumachers
zu. Dies mündete später in eine politische Freundschaft. Die Wehrrichtlinien
der SPD wurden letztendlich mit 242 zu 147 Stimmen angenommen, gegen den Willen
Josef Felders. Von den
9 Delegierten seiner Delegation stimmten 6, darunter Erhard Auer und Thomas Wimmer mit Ja und
3 mit Nein, darunter Josef
Felder. Die Nein-Stimmen erregten das Missfallen Erhard Auers, der in seiner
autoritären Art eine widersprüchliche Haltung nur schwer ertragen konnte.
Literatur:
Josef Felder, Warum ich Nein sagte, Reinbek 2002
Josef Felder, Mein Weg: Buchdrucker - Journalist -
SPD-Politiker, in: Deutscher Bundestag, Abteilung Wissenschaftliche
Dokumentation, Abgeordnete des Deutschen Bundestages. Aufzeichnungen
und Erinnerungen; Boppard 1982, S. 15-79
Quellen:
http://www.dhm.de
http://www.deutsche-schutzgebiete.de/sms_hindenburg.htm
Verfasser: Christian Heidinger, Christoph Jung
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